Karmapas Antwort zum Thema Visualisierung - 30.08.2020

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30.08.2020
 

Karmapas Antwort zum Thema Visualisierung
 


Thaye Dorje, Seine Heiligkeit der 17. Gyalwa Karmapa, antwortet weiter auf Fragen von Schülern, diesmal zum richtigen Verständnis all der bunten `Formen´ und kunstvollen Visualisierungen, die wir im Vajrayana haben.

Wenn es einen Sinn für diese farbenfrohen `Formen´ gibt, dann sehe ich ihn – auf die authentischste und respektvollste Art und Weise – als ähnlich wie ein Kinderspiel an.

Kinder tun alles Mögliche, was für Erwachsene keinen Sinn ergibt.

Sie schneiden lustige Gesichter.

Sie rennen und krabbeln wie wilde Tiere.

Sie geben quietschende Geräusche von sich, die sich unserer Nachahmung entziehen.

Egal für wie edel oder ausgefeilt wir uns als Erwachsene halten, so sind wir tief im Innersten neugierig in Bezug auf Kinder; als ob sie eine Art von Außerirdischen wären.

Gespannt darauf, wie diese kleinen Wesen so sein können.

Abseits von unserem verklemmten Verhalten würden wir gern den Weg der Kinder beschreiten.

Aber wir trauen uns nicht. Nein, nein!!

Wir denken, das wäre töricht.

Das wäre peinlich.

Wir würden unsere Würde und Göttlichkeit verlieren. Wie wirklich kindisch von uns!

Zugegeben, Fürsorge für die Gefühle anderer ist für Bodhisattvas eine Norm-ähnliche Disziplin.

Bodhisattvas respektieren die Gesellschaft. Deshalb benehmen sie sich im Allgemeinen in der Gesellschaft auf bescheidene Weise.

Es ist wichtig, diesen Punkt nicht dahingehend misszuverstehen, dass Bodhisattvas ihre Gefühle in irgendeiner Weise unterdrücken. Sie sehen, dass es nichts Innewohnendes zu unterdrücken gibt und daher geht es nicht darum, ob es ihnen peinlich wäre, wenn sie sich offen äußern würden. Sie verhalten sich jedoch respektvoll und demütig, aus Rücksicht auf andere, die vielleicht noch derartige Vorstellungen und Hemmungen haben.

Aber zumindest für sie selbst muss die Art, wie sie um sich selbst empfinden, nicht eingeschränkt werden.

Vielleicht liegt also der Nutzen buddhistischer Praxis darin, dass die Methoden aller Yanas die Eigenschaft haben, unser eigenes Selbst zu befreien, um kindlich zu sein.

Das ist der Zweck dieser Übungen, ohne ein festgelegtes Ziel.

Deshalb erscheinen mir diese bunten Methoden interessant – ob sie nun farbenfroh sind oder nicht.

Es gibt keine festgesetzten Ziele, um mit dem Göttlichen – wie den Buddhas – auf mystischem Weg in Kontakt zu kommen.

Solche Methoden sind nicht einmal mystisch: Wenn Sie so wollen, sie sind lediglich spielerische, kindliche Hilfsmittel, um unser Klammern am Selbst loszulassen.

Schaut nur, was die Bäume tun, und die Wolken: Man kann ihrem Spiel einfach keinen Zweck zuschreiben.

Das ist es, was echte Meditierende sehen.

Sie sehen sie als Richtlinien.

Wir müssen nicht befürchten, dass wir irgendwie unsere buddhistische Essenz verlieren werden, wenn wir uns unserem eigenen Selbst öffnen.

Scheinbar angenehme Erfahrungen sind keine Ziele, an denen festzuhalten ist.

Das tun Kinder nicht.

Sie sehen aus, als ob sie an einer Gefallen haben, und schon im nächsten Augenblick machen sie mit einer anderen weiter.

Selbst wenn wir glauben, eine Vorstellung davon gewonnen zu haben, was sie gerne erleben, kann dieser Gedanke nicht wirklich wieder verwendet werden, um sie zufriedenzustellen, denn sie sind nicht auf diese angenehmen Erfahrungen als gesetztes Ziel angewiesen.

Paläste aus Licht – sind solche Sichtweisen nicht interessant?

Paläste, gemacht aus Sand – oder besser gesagt, `Paläste von Sand´, nicht `aus Sand gefertigt´, sind tatsächlich Paläste aus Licht.

Sie sind so strahlend und lebendig, wie sie nur sein können.

Leicht und holographisch, sind sie nicht zu fassen.

Greift man dennoch nach ihnen, lösen sie sich allerdings in Miniatur-Dünen auf.

Genau so sind diese Visualisierungen und Methoden: Man kann sie nicht berühren, obwohl sie fassbar scheinen.

Deshalb bzw. so üben wir: Wir führen den Sand sanft in Formen, ohne feste Absichten, lassen sie sich – welche Form auch immer sie annehmen – setzen, und lassen sie dann sein.

Solche Methoden in der Behaglichkeit unseres Heimes oder in unseren tatsächlichen oder symbolischen Höhlen zu praktizieren.

Höhlen, die durch diese Pandemie gemeißelt wurden, wenn Ihr so wollt.

Grenzen, die keine wirklichen Begrenzungen haben.

Wir meditieren, wir synchronisieren uns mit dem Fluss unseres Karmas; so, wie Tag und Nacht fließen.

So, wie die Stunden, die Minuten und Sekunden vergehen.

Um zu sehen, wie schöpferisch oder fließend wir werden können.

Ohne die Sorgen, andere und uns selbst zu retten, aber dennoch zu retten, ohne mit einem festen Ziel zu retten.

Vielleicht könnt Ihr und ich auf diese Weise diese bunten Mittel verstehen.

#Karmapa
 

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