Karmapas Meditationsanleitung - 26.04.2020

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26.04.2020
 

Thaye Dorje, Seine Heiligkeit der 17. Gyalwa Karmapa, untersucht in seiner jüngsten Meditation für unsere Zeit die Idee des „Gewöhnlichen" und „Außergewöhnlichen".



Wenn wir versuchen, die Methoden der Bodhisattvas anzuwenden, an andere zu denken und anderen zu nützen, könnten wir uns überwältigt fühlen.

Wir könnten das Gefühl bekommen, dass wir zu gewöhnlich sind.

Wenn wir gewöhnlich sind, was ist daran falsch?

Waren nicht alle Bodhisattvas irgendwann einmal in dieser Lage? Sie müssen sich völlig hilflos und nutzlos gefühlt haben.

Dennoch erlangten sie ihre außergewöhnlichen Qualitäten – einfach, indem sie ihren gewöhnlichen Zustand akzeptierten.

Wie kam es dazu?

Zunächst versuchten sie auf vielfältige Weise diesen außergewöhnlichen Zustand zu finden, genau wie Prinz Siddhartha es getan hatte. Aber am Ende, als alle Hoffnungen enttäuscht worden waren, akzeptierten sie ihren gewöhnlichen Zustand.

Schließlich sahen sie, dass Altern natürlich ist.

Sie sahen letztlich, dass es auch natürlich ist, krank zu werden und zu sterben.

Es ist keineswegs falsch, Alter, Krankheit und Tod zu erleben, egal wie gewöhnlich sie auch scheinen mögen.

Solche Erfahrungen sind unzählige Male erfolgt.

Diese gewöhnlichen Erfahrungen haben andere Erfahrungen nie davon abgehalten sich zu ereignen.

Es ist nicht so, dass diese gewöhnlichen Erfahrungen wie ein Finale sind, das alle außergewöhnlichen Erfahrungen abkürzt.

Schließlich ist diese gegenwärtige Erfahrung immer noch möglich.

Es ist also dieses einfache Annehmen, welches das Streben nach der Rettung aller vor dem Tod und all den anderen natürlichen, gewöhnlichen Erfahrungen beendete.

Stattdessen verwandelte sich das Bestreben, alle Menschen vor dem Sterben zu retten, in das Streben, allen zu helfen dieses gewöhnliche Schema anzunehmen.

Auf diese Weise wurden die Bodhisattvas zu Bodhisattvas.

Auch wir befinden uns in genau der gleichen Position wie die Bodhisattvas.

Wenn wir uns mit den Bodhisattvas vergleichen, werden wir nicht den klitzekleinsten Unterschied finden.

Belasten wir uns daher nicht mit der Besteigung eines Berges ohne Gipfel.

Das ist überhaupt kein Berg.

Wenn wir Berge besteigen, klettern wir hinunter.

Das ist nicht ungünstig.

Das ist völlig natürlich.

Der Abstieg vom Berg ist wesentlich für unser Vergnügen.

Wenn es so etwas wie einen Vorteil gibt, dann ist unserer der, dass wir die Erkenntnis der Bodhisattvas nutzen können, nicht nach einem separaten, außergewöhnlichen Zustand suchen zu müssen.

Buddhaschaft ist nicht getrennt vom gewöhnlichen Zustand.

Das sollte sie nie sein.

Wenn Du abergläubisch annimmst, der gewöhnliche Zustand sei tatsächlich gewöhnlich, dann bedenke Folgendes: Makellose Lotusblumen werden aus Schlamm geboren.

Dies ist nicht nur ein Sprichwort.

Es ist eine Realität.

Genau so sind wir.

Gewöhnliche Ansammlungen aus körperlichem und geistigem Schlamm haben eine unverfälschte Erfahrung wie diese hervorgebracht: uns oder dich oder mich. Was ist daran falsch?

Wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann ist es unser Widerstand gegen diesen natürlichen Weg.

Wir können diese ursprüngliche Weisheit nicht von diesem Schlamm trennen.

Wenn wir es versuchen, ist alles, was wir erhalten werden, entweder nur eine leblose Statue oder ein Konzept davon, wer wir sind.

Das ist alles, was wir bekommen werden.

Aber es ist diese leblose Statue oder Idee, die der wahre Tod ist.

Das ist also nicht das, was wir wollen – zumindest nicht, wenn wir vernünftig sind.

Deshalb, meine lieben Dharma-Freunde, versucht, diesen gewöhnlichen Zustand zu akzeptieren, wenn Ihr anderen nützen wollt.

Wenn ich „akzeptieren" sage, dann meine ich das nicht im Sinne von „diese Last auf sich nehmen" oder „Nichts tun"!

Akzeptiert das stattdessen derart, dass es keinen anderen Weg gibt.

Es gibt keinen außergewöhnlichen Weg.

Den hat es nie gegeben.

Wir haben diesen Vorteil.

Wir müssen nicht versuchen, jeden Berg abzuflachen, zum Nutzen aller Wesen und im Namen der Suche nach diesem außergewöhnlichen Weg.

Wenn es einen ebenen Weg gibt, gehen wir ihn.

Wenn es einen unebenen Weg gibt, gehen wir ihn dementsprechend.

Unsere Füße belasten sich nicht damit, dass sie über den Boden gehen müssen.

Der Boden belastet die Füße nicht, damit sie darauf gehen.

Da ist nur Gehen.

Nicht mehr und nicht weniger.

Äußerst gewöhnlich.

Doch theatralisch betrachtet, ist es außergewöhnlich, weil wir keine Worte finden können, um zu beschreiben, warum diese Füße auf dem Boden gehen.

Links. Dann rechts.

Von anfangsloser Zeit an.

Nun, das ist außergewöhnlich.
 

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