Karmapa Statement zu Vesak 2020 - 06.05.2020

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06.05.2020
 

Thaye Dorje, Seine Heiligkeit der 17. Gyalwa Karmapa, teilt die folgende Meditation am Vorabend von Vesak 2020:
 


(smon lam) - MÖNLAM, Streben

Wenn es darum geht, ein Buddha zu werden – zu einem Buddha aufzublühen –, dann ist Streben ein schöner Weg, diesen Zustand der Buddhaschaft zu säen.

Ein `Buddha´ zu sein, bedeutet, erwacht zu werden.

Genauer ausgedrückt: Wenn wir diese Methode oder dieses Fahrzeug des Strebens halbieren, kann man die beiden Teile so verstehen:

Die erste Hälfte ist (smon lam). `Mönlam´ ist der tibetische Begriff für Streben, `pranidhana´ auf Sanskrit.

Die 2. Hälfte lautet (bsngo ba). `Ngowa´ ist der tibetische Begriff für Hingabe, `parinama´ in Sanskrit.

`Mönlam´ ist wie Einatmen und `Ngowa´ wie Ausatmen.

Genau wie die Atmung ist es überaus natürlich.

Dieser Weg ist bekannt als das Werden eines Bodhisattvas, eines Kindes des Erwachten – was natürlich nicht wörtlich zu nehmen ist.

Im Augenblick träumen wir höchstwahrscheinlich.

Dieser Zustand des Menschseins ist ein ausgewogener Traum.

Denn wir sind nicht in Ekstase versunken.

Ein Wesen in einem höheren Zustand, ein göttliches Wesen, befindet sich in einem ständigen Zustand der Verzückung, sodass es die Realität nicht sehen kann; wie ein Leben im Luxus.

Ein Wesen in einem niederen Zustand, ein gequältes Wesen, befindet sich in einem ständigen Zustand der Qual, sodass es die Wirklichkeit ebenfalls nicht sehen kann; wie ein Leben in Armut.

Sowohl Luxus als auch Armut sind Beispiele, die nur relativ sind.

Ein menschlicher Zustand ist ein so genannter mittlerer Zustand, in dem wir am Rande des Erwachens stehen.

Wir träumen immer noch als „Du“ und „ich“.

Aber hin und wieder haben wir Zweifel; stellen in gewisser Weise in Frage, wer Du bist und wer ich bin, oder aber, ob wir träumen oder nicht.

Ein Strom der Neugier treibt uns zur Überprüfung an.

Das Erscheinen von Geburt und Tod und verschiedenen Zuständen von Veränderung sind die Stichworte für unsere Neugier, die uns daran zweifeln lässt, ob wir wirklich hier sind oder nicht.

So ist die menschliche Geburt vielleicht nicht ideal zum Vergnügen, aber ideal zum Erwachen.

Dieses klitzekleine bisschen Neugier ist also ein perfekter und fruchtbarer Boden, um den Samen des Erwachens zu pflanzen.

Dies geschieht nicht, indem man der menschlichen Existenz etwas aufzwingt, sondern indem man andeutet, dass es nicht falsch ist, daran zu zweifeln, ob wir träumen oder nicht.

Und durchblicken zu lassen, dass Erwachen überhaupt nicht beängstigend ist.

Entweder kann ein spiritueller Führer das für uns tun oder wir können uns selbst anschubsen, um ein wenig über unseren gewohnten Maßstab, mit diesem Traum zufrieden zu sein, hinauszugehen.

Gleichzeitig haben wir eine Art Talent oder Instinkt, uns immer von der Norm oder von Anderen unterscheiden zu wollen, um hervorzustechen, wie zum Beispiel im Bereich der Mode. In diesem Fall sollten wir diese

Gewohnheit, anders sein zu wollen, nicht bekämpfen, sondern mitmachen.

Wenn wir wirklich anders sein wollen und etwas „über den Tellerrand Hinausschauendes“ tun wollen, ist es am interessantesten, zum Abenteuer des Erwachens aufzubrechen.

Das ist es, was die Buddhas eigentlich sagen.

Um noch einmal auf das Säen des Erwachens (Buddhaschaft) zurückzukommen: Es ist in Ordnung, sich mit dem Träumen dieses menschlichen Traums zu begnügen, aber früher oder später wird dieser Traum
einen Kreislauf durchlaufen, und es gibt keine wirkliche Garantie dafür, dass sich der Kreis wieder schließt, um zu diesem menschlichen Zustand zurückzureichen.

Deshalb macht Erwachen Sinn.

Nach dem Erwachen können wir es wagen, jeden Traum zu träumen, den wir uns wünschen.

Wenn es also darum geht, Erwachen zu säen, ist Streben der einfachste Samen.

Denn es ist etwas, das wir ständig tun.

Es erfordert keinerlei Anstrengung.

Man muss nur ständig danach streben, so wie man atmet oder wie Dein Herz schlägt.

Das ist keine Anstrengung, es ist nur ein Rhythmus, wie beim Tanzen.

Lungen tanzen ein und aus, Herzen tanzen auf und ab.

Strebt gleichermaßen: tagein, tagaus.

Strebt danach, zu erwachen; schaut Euch von Zeit zu Zeit um, um zu sehen, wer noch träumt, und trachtet danach, dass sie aufwachen.

Im Moment ist ihr Traum zu real, bis zu dem Punkt, dass wir – selbst wenn wir es wollten – sie nicht wirklich zwingen und mit Wasser bespritzen können, um sie aufzuwecken. Aber wir können für sie Bestrebungen dazu setzen.

Die meisten von ihnen sind zu sehr von ihren Träumen davon gefesselt, sie selbst zu sein; so wie sie sind, so wie Andere sind – es ist einfach so real, dass sie uns für verrückt halten werden, wenn wir sagen, es sei ein Traum.

Da wir selbst noch nicht voll erwacht sind, fällt es uns schwer, auch Andere zu überzeugen.

Stattdessen streben wir also danach.

Allerdings ist Streben nicht wie leere Worte oder Gedanken.

Diese Gefühle von „Oh, es sind nur leere Worte und Gedanken“ sind Gewohnheiten, die sich mit der Zeit festgesetzt haben, als wir für uns selbst den einfachen Weg wählten und die Neugierde abwerteten, indem wir sagten, das sei nur eine kindliche Spielerei.

Wir tun dies zum Beispiel, wenn jemand in seinem eigenen Rhythmus begeistert ist, wir es aber nicht verstehen können; also sagen wir, er oder sie ist wie eine „Maschine“.

Oder wenn jemand die Dinge leicht nimmt, sagen wir, er oder sie sei „wie ein Kind“.

Diese Art von Gewohnheit, etwas oder jemanden nicht vollständig verstanden zu haben und als Maschine oder dergleichen zu bezeichnen, macht es uns leicht. Aber das können wir beibehalten und Samen pflanzen, sodass wir tiefer träumen und nicht aufwachen.

Strebt also in einer Weise, dass Ihr einatmet und jede Handlung und jeden Gedanken von Euch selbst und Anderen, die mit dem Erwachen in Einklang stehen, im Einatmen aufnehmt – nämlich Tugenden und Verdienste, wie Güte.

Das hat eine Qualität, die nicht mit Schlafen, sondern mit Erwachen verbunden ist.

Also nehmt das in Euch auf, atmet das ein.

Das ist Streben.

Nun, da Eure Lungen mit dem Sauerstoff der Tugend gefüllt sind und ihn Euer wundergleicher menschlicher Körper in CO2 umgewandelt hat, müsst Ihr ausatmen.

Atmet es aus.

Gebt es weg.

Lasst es los.

Natürlich müsst Ihr es ohne eine wirkliche vorherige Entscheidung loslassen, so wie es die Lungen tun.

Ohne irgendeine religiöse oder politische Entscheidung: widmet es einfach.

Das ist Hingabe.

Das beste Beispiel ist das eines Kindes, das intensiver atmet als ein Erwachsener.

Eben das ist Karma in gutem Besitz.

Also, liebe Dharma-Freunde, an diesem Vorabend von Vesak, strebt bitte danach.

Und all eure Träume werden erwachen!

www.karmapa.org

 

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